Schwiegervaters´ Atlantis

Mein Schwiegervater wuchs im Haus seiner Eltern am Rande von Berlin auf.

Ein großes Grundstück mit großem alten Haus und Seeanschluß mitten in der Provinz.

Er verbrachte dort seine Kindheit und Jugend ,bis er irgendwann selber eine Familie gründete und nach Berlin zo,mitten in die Stadt.

Zurück blieb nur seine Mutter und die alten Freunde ,die mit denen er in diesem Dorf aufgewachsen war.

Aber das Zurückbleiben war immer nur vorübergehend , denn wenn man quasi im Freien Aufwächst und dann in die Stadt zieht ,dann fühlt man sich da wie auf einer Insel.

Da seine alte Heimat nicht so weit entfernt ist ,setzte er viel Freizeit daran um immer wieder dorthin zurück zu kehren.

An den Wochenenden im Sommer ,sogar mit Übernachtungsmöglichkeit für seine eigene Familie ein gewohntes Terrain, wo er wohlmöglich jeden Baum und jeden Stein persönlich kennt und das für ihn auch immer ein Rückzugsort war eine Art Basis.

Sein eigentliches Leben in der Stadt und dann am Wochenende raus ins Grüne, ans Wasser, aufs Dorf ,wo er sich heimisch fühlte.

Dort konnte er sich entspannen und in Trainingshosen den Rasen mähen oder mit seinen alten Freunden ein Plausch halten oder abends mal grillen, ein bisschen was on alten Zeiten und ein bisschen was vom Ausklinken und Urlaub vom Alltag machen, wo man nicht beengt in der Wohnung sitzen muß oder auf öffentliche Parks angewiesen ist ,wenn man mal ins Grüne will..und ein bisschen was eigenes , wie ein Stück Land und Haus und Hof eben zu einem Stück der eigenen Seele und der eigenen Vergangenheit geworden ist in die man sich geborgen zurückziehen kann.

Nun ist seine Mutter nichtmehr die jüngste und das Grundstück und vor allem das Haus hat den Zahn der Zeit sehr zu spühren bekommen.

Ein so großes Objekt in Schuß zu halten ,bedarf die jenigen die das Geld dazu haben und auch nur denen steht es in dieser kapitalistischen Welt zu ,sich überhaupt in solchen Gegenden nieder zu lassen.

Seiner Mutter wurde das immer unbehaglicher da ,da ihr das Alter und die Nachteile eines großes Hauses immer mehr zu schaffen machten.

Die Entwicklung hat sich schon seit ein paar Jahren abgezeichnet ,da die Alte Frau sich zunehmend unsicher und allein in dem großen Haus fühlte und lieber in der unmittelbaren Nähe ihres Sohnes wohnen wollte.

Immer wieder Jahr für Jahr hat das mein Schwiegervater hinnausschieben können,würde er doch so seine alte Heimat verlieren.

Nun ist es aber amtlich, denn die alte Frau hat den Entschluß gefasst sich von dem maroden gewordenen Anwesen zu trennen, einfach weil sie sich allein fühlt und weil ihr die größe des Hauses und deren Treppen eher Angst einjagen als sich wohl zu fühlen.

Sicherlich fällt ihr dieser Entschluß auch nicht leicht ,aber es überwiegt wohl das Nähe und Verfügbarkeitsgefühl, wenn sie in der Nähe ihres Sohnes und seiner Frau wohnt.

Es gab längerfristig nur die Option das Haus mit nicht vorhandenem Geld zu sarnieren oder drin wohnen bis es nichtmehr geht und nun gehts eben nicht mehr.

Dabei waren für meinen Schwiegervater die Sommer da doch immer so angenhem…aber er verdrängt dabei immer die langen Winter in der das Haus aufgrund seiner Struktur nichtmehr warm wurde und genau die langen Winter waren es auch die Oma nun zu dem Schluß kommen ließen ,das nun mal Schluß ist.

Sind es doch die Winter die ,sie als alte Frau da überstehen muß ,da sich die Kinder und Enkelkinder äußerst selten sehen lassen ,weil was will man an einem Winterwochenende schon draußen auf dem Dorf machen?

Nun hat sich die alte Frau entgegen allen Argumenten ihres Sohnes von diesem Objekt unwiderruflich und endgültig getrennt.

Für sie beginnt nun ein Leben ,das für sie eine Bereicherung im Alter ist ,aber ihr Sohn verliert nun seine Heimat.

Mein Schwiegervater sieht sich nun auf einer Insel in der Stadt sitzen und man hat ein Festland versenkt.

Seine Heimat weg, und die Brücke zu den verbliebenen Freunden im Dorf wird auch immer größer und immer schlechter zu überwinden sein, denn der Alltag läßt so manches einschlafen oder auf ein Jährliches „Hallo“ zusammenschrumpfen.

So wie der Mann für die Erhaltung seiner Heimat gekämpft hat so abgekämpft und schachmatt sitzt er jetzt auf dem verlorenen Posten.

Ich kann mir vorstellen was das bedeutet ,die Wurzeln und das Festland zu verlieren, befinde ich mich doch in einer ähnlichen Situation.

Meine Eltern sind ebenfalls Hausbesitzer ,was für mich auch ein Ort meiner Kindheit und Jugend darstellt und zugleich ein Ort ist an dem ich jederzeit mich in unbeengten Verhältnissen bewegen könnte.

Auch wenn das Verhältnis zu meinen Eltern nicht das optimalste ist, zum „rausfahren“ und willkommen sein und da mal ausspannen reicht er allemal.

Würde das wegfallen , würde ich mich auch in meiner Wohung eingesperrt fühlen ,denn wo will man hin ,wenn man mal raus will ??

Es gäbe dann kein Primärziel wo man hin will im Falle eines Wohnungsausbruch.

Man wäre sofort ,wenn man die Wohung verläßt obdachlos ,bis man wieder zu Hause ist.Der wichtigste „Stützpunkt“ wäre einfach weg.

Verschärfend ist dabei noch das Alter an sich ,denn ich denke das so ein Verlust mir mit Anfang 30 noch leichter fallen würde als meinem Schwiegervater mit Mitte 50.

Nun wird es für ihn kein gutes Jahr gewesen sein ,denn nichtnur die Heimat ist fort ,sondern auch die sozialen Kontakte ,die an diesen Ort gebunden sind stehen nur vor der unüberwindlichen Zerreißprobe.

Wie wird er mit seinem Alter mit dieser neuen Situation umgehen?

Bisher war ein Wochenende zwischen April und Oktober fest und glücklich und in voller Vorfreude verplant.

So nutze er jede freie Sekunde „draussen“ ob er nur einmal kurz hinfährt um seine Mutter zu besuchen oder mit Frau Kind und Enkel draussen die Sonne genießen konnte.

Oder eben mit seinen alten Dorffreunden eines der vielen Feste feiern konnte,zu feiern gabs ja immer was.

Ich denke für ihn wird sehr schwer ,sich auf die neue Allein-Insel einzustellen und ich denke nicht das er von den Erinnerungen an die ganzen Jahre dort Kraft schöpfen kann.

Ich glaube nichtmal das man sich in diesem Alter generell noch an neue Situationen gewöhnen kann ,wie es für einen 20 Jährigen weniger ein Problem wäre mit einer neuen Lebenssituation zurech zu kommen oder gar den Wohnort zu wechseln.

Das wars also.

Schwiegervaters eigentlicher Hauptwohnsitz des Herzens ist nun nichts weiter als ein seelisches Atlantis.

In diesem Sinne…Danke fürs Lesen

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