Endstation

Wiedermal Gedanken um meine verkomplizierte Freundschaft.
Seit Monaten verläuft mein Kontakt zu dieser (selbst)-isolierten Person nur noch sporadisch ab. Er meint selbst, das er in Zeiten des Coronabedingeten Lockdowns kein Unterschied zu seinem „normalen“ Leben sieht, da auch nun sein Tag nur aus Aufstehen-Fernsehen-Schlafengehen besteht, wie vorher auch. Nein halt, früher war noch der regelmäßige Besuch im Fitnessstudio der Rausreißer überhaupt, aber damit ist es auch seit zwei Monaten vorbei und damit der einzige Faktor, der einen Unterschied macht.
Nachdem er nun immer knapper auf meine Fragen und Anfragen reagiert hatte, frage ich nun mal, ob ich ihm irgendwo getan habe, denn auf jeden Vorschlag, was man zusammen unternehmen könnte und sogar was man schonmal planen könnte, kam in letzter Zeit ein fest stehendes Nein.
Ein Nein, was ich irgendwie nie ganz verstehen werde, denn ich weiß das ich einer seiner letzten Kontakte im Leben bin und sein einziger Kontakt in eine halbwegs soziale Umgebung.
Die Antwort kam schnell und ich habe ihm nichts getan, aber er würde es vorziehen, im nächsten Jahr erstmal ein paar Monate NICHTS zu tun.
Ok weis ich bescheid, brauche ich nicht mehr nachzufragen, frage mich aber schon wie das NICHTS aussieht, wenn man sich bereits im NICHTS befindet.
Wenn man eine kleine Sozialwohnung nur zwei mal in der Woche zum Einkaufen verläßt und keinen Kontakt zu irgendjemand wünscht aber auch kein Interesse an möglichen Nachbarn hat, dann frage ich mich schon, ob die Corona-Krise einen einsamen Menschen noch einsamer manchen kann und einen eh schon verstörten noch weiter zu verstören?
Wie kann man so weit mit dem Leben herunterfahren das man den Drang zurück ins Leben nicht mehr verspürt, sondern dieses Runterfahren und isolieren selbst zu einer Suchtspirale zu werden scheint wie bei Magersucht oder ähnlichem?
Wie kann man sich im Leben so zunehmend rausnehmen, das ich mich ernsthaft frage, wie mehr man noch in diesem NICHTS versinken möchte. Kommen Tage und Wochen in denen man selbst keinen Sin darin sieht das Bett zu verlassen?
Beim Vergleich mit mir selbst sehe ich, wie diese gezwungene soziale Isolation einen auf Dauer anbrechen kann, und kann daher kaum verstehen, wie man darin einen erstrebenswerten Zustand sehen kann.
Mir bleibt nichts anderen übrige, als sein Wunsch zu akzeptieren und ihn weiter in Ruhe und damit in seinem NICHTS zu lassen…nachvollziehen kann ich dieses aber nicht , was die Vermutung offen läßt, das es sich um ein richtiges Problem handelt.
Wir sind beide im gleichen Alter und ich frage mich, ab bei ihm es jetzt schon an der Zeit ist, den aktiven Teil des Lebens hinter sich zu lassen? Kann ein aktives Leben in diesem Alter mental schon vorbei sein? Ich denke in diesen Tagen oft an unsere gemeinsame Zeiten zurück und sehe immer, das ich an den wichtigsten Weichen im Leben einfach nur die größere Portion Glück hatte, nun auf diesem Gleis gelandet zu sein.

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